Gemeinsames Treffen der Schienen

Am ersten Septemberwochenende war es endlich so weit, das jährliche Treffen der JES Schienen (Nord, Süd, NRW) fand statt. Bei bestem Sonnenschein trafen sich die rund 45 Teilnehmer*innen aus dem gesamten Bundesgebiet und ein kleiner Teil aus der Schweiz, in der Jugendherberge International Hannover. Die Teilnehmer*innen erwartete ein gut vorbereitetes Programm, das JES NRW und JES Bundesverband Mitglieder vorab erstellt haben und die Ortsgruppen Hannover und Peine bei allem organisatorischen unterstützten.

Willkommen in der Jugendherberge Hannover International

Nachdem am Freitag allen ein Zimmer zugewiesen wurde, der kleine Hunger befriedigt war, begann auch schon der erste Programmpunkt „Präventionsprojekt“. Torsten Z. stellte die bisher erreichten Ergebnisse vor und betonte noch einmal die gewünschte Mitarbeit von vielen JES Leuten in der AG Prävention. Erste Arbeitsmaterialien hat die AG bereits erstellt und es konnten bereits Veranstaltungen in Schulen durchgeführt werden. Im kommenden Jahr soll in Form eines Seminars allen Interessierten das „Know How“ zur selbstständigen Durchführung einer Präventionsveranstaltung vermittelt werden. Interessierte an der Mitarbeit in der AG können sich bei Torsten melden: torsten.zelgert@jesnrw.de

Björn P. (JES NRW/Unna) gab mit seinem Beitrag zum Thema „Wandel der Szenen“ einen kurzen Einblick in die aktuellen Veränderungen. „Was hat sich warum und wie verändert? Was kommt möglicherweise auf uns zu? und ist anderorts schon lange Alltag? Was können oder müssen wir als Selbsthilfe tun, um den Anschluss an die Szene nicht zu verlieren und auch weiterhin Hilfestellung geben zu können? Die offensichtliche Veränderung von klassischem Heroinkonsum zu Crack- und anderem Substanzkonsum lässt sich nicht leugnen, ist aber lange nicht so dramatisch, wie es in der Öffentlichkeit und Presse dargestellt wird. Das sowieso bereits existente Stigma verschärft sich dadurch noch mehr und tut weder den Menschen auf der Szene, noch anderen gut.

Zum Abschluss des ersten Tages stellte Marko D. (JES Bremen) mit seinem Beitrag zu „Neuen psychoaktiven Substanzen“, dass sehr umfangreiche Fachgebiet verständlich vor. Nicht nur über sogenannte „Badesalze“, manchen nur als Zusatz in der Körperpflege ein Begriff, konnte er Wissenslücken füllen, er gab auch kurze Einblicke in die Wirkungsweisen und Nebenwirkungen verschiedener Substanzen.

Substitution mit Diamorphin & Wohnprojekte für ältere Drogengebrauchende

Am zweiten Tag beschäftigten wir uns mit den anstehenden Veränderungen zu den gesetzlichen Regelungen der Diamorphin Behandlung. Dirk Schäffer (DAH) stellte die geplanten Änderungen vor. Durch eine rege Diskussion konnten wir die Sicht des Netzwerks und die Vorstellungen zu sinnbringenden Veränderungen zusammentragen. Beispiel: Diamorphinbehandlung als First Line Behandlung zulassen, veränderte Konsumformen ermöglichen (nicht nur i.V. Konsum), Wegfall der Vorgabe einer psychischen Erkrankung, etc. Diese Ergebnisse wird Dirk noch im September in den DHS Arbeitskreis einbringen.  An der Diskussion beteiligte sich auch Dr. Thomas Peschel, der zwei Diamorphinambulanzen führt. Er berichtete uns auch von seiner Arbeit, vom Umgang mit den Patient*innen, die er sehr respektvoll und wertschätzend behandelt, was nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit in der Substitutionsbehandlung darstellt.

Mit der Vorstellung der Umfrage „Altersgerechtes Wohnen für Drogengebraucher*innen“ setzten wir das Programm fort. Claudia Sch. (JES BV/VISION) stellte die Ergebnisse der 144 befragten Menschen in einer PowerPoint Präsentation übersichtlich vor. Die Umfrage ist noch zugänglich, so dass noch Teilnahmen möglich sind. Für das Schienetreffen wurde der Stand bis zum 19.08.23 ausgewertet.

Ein kurzes Fazit können wir hier benennen, alles Weitere findet ihr dann im kommenden Drogenkurier www.jes-bundesverband.de/drogenkurier/ und im nächsten Subletter www.subletter.de

Für 92% der Teilnehmenden hat das Thema „Wohnen im Alter“ aufgrund ihres Lebensalters eine zeitnahe oder unmittelbare Bedeutung. 70% werden substituiert und 53% können sich eine lebenslange Substitution vorstellen. Die Aussicht auf Verschlechterung ihrer bestehenden Erkrankungen im Alter ist für ca. 70% der Befragten deutlich erkennbar und eine Versorgung außerhalb eines Wohn-Pflegeprojektes ist u.a. aufgrund von fehlenden sozialen Kontakten nicht realisierbar. Eine Absicherung fürs Alter haben nur sehr wenige der befragten Teilnehmenden getroffen. Der Bedarf an Wohnprojekten, in denen eine Akzeptanz der Lebensbedingungen Drogen gebrauchender Menschen gelebt wird, ist hoch.

Wir erfuhren von Martina H. und Harry Sch. von den Wohnprojekten, in denen sie arbeiten. Beide stellten die Angebote und die groben Regeln der einzelnen Projekte vor. Unsere vorbereiteten Fragen wurden zum Großteil beantwortet. Individuelle Entscheidungen müssen immer getroffen werden, die von Person und Situation im Einzelfall unterschiedlich ausfallen können.

Cora M. berichtete von zwei Wohngemeinschaften, die sie sich persönlich angeschaut hat, jedoch mit der Versorgung im Alter in einem Wohn/Pflegeheim nicht vergleichbar sind.

(Details zu den Projekten werden auf Anfrage gerne bekannt gegeben.)

Weiter ging es in AG`s, die sich mit der Finanzierung (moderiert von Patty W.), der Zielgruppe (moderiert von Stefan R.) und möglichen Kooperationen (moderiert von Bina K.) von Wohnprojekten beschäftigten. Die Ergebnisse wurden im Plenum zusammengetragen. Das „Wohnen im Alter für Drogengebrauchende“ ein komplexes Thema darstellt, war uns von Beginn an bewusst. Dass wir dabei jedoch sehr viele Punkte nicht bedacht haben und wie arbeitsintensiv ein solches Projekt sein wird, wurde uns an diesem Wochenende dann deutlich klar. Viele Fragen und unterschiedliche Vorstellungen müssen und werden uns in der nächsten Zeit weiterhin beschäftigen.

(im Protokoll gehen wir näher auf die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen ein)

Dieser Abend ging viel zu schnell vorüber und auch der Sonntag war für einige überraschend schnell da. Das beutete schon wieder Abreisetag, aber nicht ohne vorher noch über Motivation, sowohl der eigenen sowie der Motivation Anderer zu reden. Wie schaffe ich es mich selbst und eventuell auch andere immer wieder neu zu motivieren? Wo liegen die Fallen oder Fehler und was kann mir/uns helfen? Wie gewinnen wir neue Mitglieder, beziehungsweise wie schaffen wir es die Selbsthilfe interessanter und attraktiver für ein jüngeres Publikum zu gestalten?

Die Antworten zu all unseren Fragen wurde dieses Wochenende nicht gefunden, nur die Einstimmigkeit darüber, dass jede/r die/der nicht in unserem Netzwerk verankert ist und nicht unsere vielfältigen Erfahrungsschätze nutzt, nicht weiß was sie/er alles verpasst.

Dieses geballte Wissen an persönlich gemachten Erfahrungen und praktikablen Vorschlägen zur Umsetzung, macht JES zu einem ganz besonderen Netzwerk. Und Ärzte wie Herr Dr. Peschel könnten wir noch viel mehr brauchen. Selten habe ich so viel Akzeptanz und Respekt gegenüber Drogengebraucher*innen erlebt. An dieser Stelle bedanken wir uns auch noch einmal bei Ilona und Mike R. (JES Hannover) für ihre Unterstützung bei der Vorbereitung unseres Treffens.

Celia Bernecker Preis

Was unbedingt noch erwähnt werden muss, ist die Ehrung unseres langjährigen Mitglieds im JES Sprecherrat #Stefan Ritschel. Stefan erhielt den Celia Bernecker Preis für sein herausragendes Engagement im JES Netzwerk. Nicht nur bundesweit ist er engagiert, auch in seinem Heimatort und Verein Peine ist sein Einsatz um die Verbesserung der Lebensbedingungen für Drogen gebrauchende Menschen unermüdlich. Herzlichen Glückwunsch, Stefan.

PS: Patty wartet immer noch auf Interessierte für ihren Strickkurs: „Neuer Umgang mit Nadeln!“

Kleine Galerie