Nach nunmehr 6 monatiger Pause ist es nun endlich soweit und die HepHopper können erneut ihre Arbeit aufnehmen. Nach dem Zuspruch des Gilead Förderprogrammes im Jahr 2021 begann die erste Projektphase im Januar 2022 bis Ende Januar 2023 und zeigte mit 690 durch die HepHopper erreichten Personen, wie wichtig die Arbeit des Teams ist und wie groß der Vorteil der Betroffenenkompetenz ist! Nun freuen sich die HepHopper ab August 2023 über die Möglichkeit der Fortführung des Projekt unter Sponsoring von Gilead Science. Die Möglichkeit der
zweiten Projektphase ist dabei auf den Erfolg der ersten Projektphase zurückzuführen: Insgesamt
konnten im ersten Projektzeitraum rund 690 Menschen durch die HepHopper zum Thema HCV
beraten, getestet und – wenn gewünscht – auch bei den oft schwierigen ersten Schritten in die
Behandlung begleitet werden.
Was ist das denn überhaupt für ein Projekt?
Die „Hephopper“ sind ein Community-Projekt im Bereich Virus Hepatitis und beinhaltet die Beratung zum Thema und Testung auf den HCV-Virus von Drogen konsumierenden Menschen, welche durch die regionalen Hilfsangebote wie Drogenhilfeeinrichtungen, Konsumräume und Aidshilfen aus verschiedensten Gründen nicht erreicht werden. Die Projektmitarbeitenden des HepHopperProjektes bringen größtenteils selbst eine „Betroffenenkompetenz“ mit und sind seit Jahren bei JES NRW e.V., dem Landesverband der akzeptierenden Drogenselbsthilfe JES in Nordrheinwestfalen, engagiert. Sie wurden im Rahmen einer Fortbildung der Deutschen Aidshilfe nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu den Themen HCV und HIV fortgebildet und konnten somit auch Testangebote ins Portfolio des Projektes aufnehmen. Die Projektarbeit bestand maßgeblich aus Streetwork und Info-Cafés zum Thema HCV, Test-Tage sowie der Kontaktaufnahme zu Kooperationspartnerinnen/-Einrichtungen und Behandelnden.
Und warum das Ganze?
Das Primärziel des Projektes war es, Drogen gebrauchende Menschen, welche über die gängigen Beratungs- und Testangebote der regionalen Beratungs- und Teststellen nicht erreicht werden können, über die Ansteckungswege und die Behandlungsformen von Hepatitis C aufzuklären, sowie für dieses Thema zu sensibilisieren. Auch wurden niedrigschwellige Testungen auf Hepatitis C (nach der Fortbildung „Testung ohne Ärzt:innen“) angeboten. Insbesondere die Übertragungswege und aktuelle Behandlungsmöglichkeiten zeigten sich in Befragungen der Vergangenheit als nicht hinreichend bekannt. Gleichzeitig ist die Unsicherheit gegenüber einer Behandlung meist groß, da das bekannteste Medikament nach wie vor das nicht mehr zeitgemäße Interferon zu sein scheint, welches in erster Linie mit den ungewünschten Nebenwirkungen in Verbindung gebracht wird. Auch die Unsicherheit, wo und unter welchen Umständen eine Behandlung stattfinden kann, ist ein Grund, weshalb sich aktiv Drogen konsumierende Menschen nach wie vor zu selten in eine Test- und Behandlungssituation begeben und die Erkrankung lange Zeit unentdeckt bleibt. Regionale Drogen- und Suchtberatungsstellen und Aidshilfen informieren über die Infektions-Risiken und Behandlungswege, jedoch zeigte sich in der Vergangenheit anhand den Neuinfektionen (mit großen Dunkelziffern), dass nach wie vor ein zu großer Teil der Drogen gebrauchenden Menschen hierdurch nicht erreicht werden kann. Laut der Studie „Drogen und chronische Infektionskrankheiten“ des Robert Koch-Institutes sind von den langjährigen Drogenkonsument:innen in Deutschland 23 bis 54% chronisch mit Hepatitis C in infiziert. Somit zählen intravenös Drogen konsumierende Menschen nach wie vor zu einer Hoch-Risikogruppe für eine HCV-Infektion. Die Infektionen bleiben hierbei häufig unerkannt, da die Symptomatik schleichend beginnt und auch bei einem progrediente Verlauf nur schwer zu unterscheiden ist von der Symptomatik, welche mit den Nebenwirkungen eines regelmäßigen Konsums induziert ist und teils von diesem überdeckt wird.
Eine weitere Hemmschwelle, welche die Erreichbarkeit dieses Teils der Drogen gebrauchenden Menschen neben den teils erschwerten Lebensumständen nachweislich einschränkt, lässt sich auf die gesellschaftliche Stigmatisierung zurückführen: Konsument:innen illegalisierter Substanzen befinden sich in einem gesellschaftlichen Spannungsfeld zwischen strafrechtlicher Verfolgung, dem illegalisierten Konsum, der moralischen Verurteilung des Konsums und der Konsument:innen, bei nebenstehender subjektiver Notwendigkeit dessen.
Aus diesem Grund setzt das Projekt „HepHopper“ auf die Betroffenenkompetenz: In diesem Projekt wird die Beratung und Testung von Menschen mit einer eigenen Betroffenenkompetenz durchgeführt. Das Ziel dieser besonderen Herangehensweise ist, dass die Sorge vor Stigmatisierung minimiert wird und durch die eigene Betroffenheit eine Nähe und ein Verständnis geschaffen wird, welche im professionellen Kontext aufgrund der fehlenden Betroffenenkompetenz oft nicht aufgebaut werden kann. Durch die Niedrigschwelligkeit des Projektes war es ebenfalls möglich, dass JESler:innen den ersten, meist schwersten Weg zu einem Behandelnden begleiten konnten.
Und was hat’s gebracht?
Die Ergebnisse der ersten Projektphase: Insgesamt wurden n=690 Personen im bisherigen Projektzeitraum (01.22 – 01.23) erreicht. Der bisherige Projektverlauf zeigte, dass insbesondere durch das niedrigschwellige Streetwork-Angebot durch Menschen mit einer Betroffenenkompetenz Personen erreicht werden konnten, welche über einen schlechten bis nicht ausreichenden Wissenstand bezüglich der Hepatitis C Infektion und deren Übertragungswege und Heilungschancen, verfügten.
Auffällig zeigte sich in der Auswertung der Daten, das primär männliche Personen erreicht wurden. Dies zeigte jedoch den grundsätzlich und bereits seit Jahren anhaltenden Trend, welcher sich auch in den Drogenszenen wieder spiegelt. Frauen zeigen sich hingegen weniger in der öffentlich-zugänglichen Drogenszene, konsumieren in der Regel seltener „harte“ Substanzen wie Heroin und Kokain und tun dies meist verdeckter, da sie besonders durch Stigmatisierungen betroffen sind, da neben dem Stigma der Suchterkrankung – auch genderspezifische gesellschaftliche Ansprüche an sie gestellt werden. Um das Alter der Befragten zu erfassen, wurden zunächst in den anonymisierten Fragebögen die Realdaten erfasst und in der Auswertung verschiedenen Gruppen zugeordnet. Hierbei zeigte sich, dass die Gruppe der 36-40 jährigen Personen die größte Personengruppe (n=180) darstellte, auch die 41-45 jährigen (mit n=150) Personen waren stark vertreten. Eine geringe Erreichbarkeit durch Streetwork und Info-Cafés wiesen hierbei die 51-55 bzw. über 55 Jährigen, mit summiert n=80 Personen und die unter 30 jährigen (n=48) auf. Eine hohe Erreichbarkeit zeigte sich insbesondere im Alter zwischen 31 und 50 Jahren (summiert n=562) und stelle somit die Kerngruppe der im
HepHopper-Projekt beratenden Personen dar.Von den Befragten gaben n=682 Personen an, regelmäßig Drogen zu konsumieren. Die kleinste Gruppe stellten mit n=8 diejenigen dar, welche weder aktiv Konsumierten noch substituiert waren. Von den 682 Personen mit aktiven Drogengebrauch gaben n=280 Personen an, gleichzeitig bei einem niedergelassenen Arzt substituiert zu sein. Es lässt sich daraus ableiten, dass auch die Substitutionsbehandlung in einer niedergelassenen Arztpraxis weder ein Indiz dafür ist, wie gut eine Person über Hepatitis C informiert ist, noch ob wie regelmäßige Testangebote offeriert bekommt und ob sie diese wahrnimmt. Es zeichnete sich ab, dass das grundsätzliche Wissen über die Infektion Hepatitis C, deren Übertragungswege, Heilungschancen und aktuelle Medikamente zur Behandlung größtenteils schlecht bis teilweise falsch zu verorten waren. Der intravenöse Drogenkonsum zählt bei allen Arten des Substanzkonsums weiterhin der Hauptrisiko-Ursachen für eine Infektion mit Hepatits C. Doch es gibt Möglichkeiten, den Substanzkonsum risikoärmer zu gestalten, wie etwa durch Harmreduction-Techniken. Harmreduction bezieht sich hierbei nicht nur auf den direkten Konsum von Substanzen, sondern bezieht auch Erkenntnisse über diverse Infektionswege außerhalb des direkten Konsumvorgangs, also im Transport und der Vorbereitung sogenannter „Bubbles“ von Person A zu Person B im Mundraum, mit ein. Die Personengruppe, welche die Substanzen intravenös konsumierte, bildete mit rund 69,28% (n=478) die größte Gruppe , wohingegen nur 30,72% (n=212) angaben, Substanzen nicht intravenös zu konsumieren und/oder dies noch nie gemacht zu haben. Trotz rückläufiger Zahlen der intravenös Konsumierenden, was letztlich auch durch Kampagnen wie „Smoke it“ (Deutsche Aidshilfe) ermöglicht wurde, zeigt sich in dieser Befragung, dass der intravenöse Konsum weiterhin einen hohen Anteil unter den Konsumformen einnimmt und die hohe Infektionsgefahr bei nicht ausreichender Aufklärung weiterhin besteht.
Dies zeichnete sich auch in der folgend erhobenen Variable der Risikosituation ab, nach welcher weder eine Testung noch Behandlung stattgefunden hat. Sollte zuvor eine Testung stattgefunden haben, wurden nur die Zeiten nach der letzten Testung abgefragt. Zeitlich wurde diese Einschätzung bewusst nicht eingegrenzt, da ein kurzvorheriger Risikokontakt ein gleichbleibendes Infektionspotential wie ein bereits 8 Monate zurückliegender Risikokontakt birgt. Diesbezüglich war nicht nur die Erfassung der Risikosituationen gesprächsleitend, sondern für potentielle Risikosituationen zu sensibilisieren und Möglichkeiten für die Zukunft anzubieten, das Infektionsrisiko künftig zu minimieren. Hier gaben rund 84,93% der Befragten (n=586) an, sich retrospektiv mindestens an eine Situation oder einen Kontakt erinnern zu können und diesen als risikoreich einzuschätzen. Fraglich ist an dieser Stelle der Bias anzuführen, ob eine gesteigerte Sensibilität für Risikokontakte durch die vorherige Frage des intravenösen Drogenkonsums und hierzu folgende Erläuterungen des Ansteckungspotentials auftrat. Lediglich 15,07% (n=104) der Personen gaben trotz vorheriger Erklärung zu möglichen Risikosituationen im Risikosituation ja Risikosituation nein Abbildung 5: Risikosituation Gesprächsverlauf (riskante Konsumform, riskante Sexualpraxis) an, in der vergangenen Zeit keinen Risikokontakt zu haben.
Es zeichnete sich ab, dass rund 79% der Befragten (n=548) über ein deutlich mangelhaftes, teilweise
falsches Wissen bezüglich Hepatitis C verfügten, 11% (n=73) über ein mittleren, teils lückenhaften,
teils veralteten Wissenstand und nur 10% (N=69) über einen guten Wissensschatz verfügten. Dies
war insofern ein beeindruckendes Ergebnis, gaben doch 55,22% (n=381) der Befragten an, regelmäßig in (Drogen-)Hilfeeinrichtungen zu verkehren und 43,04% (n=297) gaben an, sich in einer Form der unterstützenden Betreuung (ambulant betreutes Wohnen oder gesetzliche Betreuung) zu befinden. Sieht man dies im Zusammenhang mit dem hohen Anteil der intravenös Konsumierenden (69,28%) sowie denen, die retrospektiv eine Risikosituation (84,93%) ohne folgende Testung angegeben hatten, zeichnet sich ein weiterhin großer
Beratungsbedarf ab.
In dem bisherigen Projektzeitraum (01.22-01.23) waren von den n=690 Befragten rund 380 Menschen (55,07%), welche nicht in den regionalen (Drogen-)Hilfenetzen angebunden sind und somit keinen Zugang zu etwaigen Test- und Beratungsangeboten haben. Diese konnten durch die aufsuchende Arbeit der Hephopper und unter der Prämisse der Betroffenenkompetenz dennoch erreicht und beraten.
Die Zahlen sprechen für sich und zeigen, wie wichtig Peer-to-Peer und Community-Arbeit ist. Wir freuen uns auf die zweite Projektphase und werden berichten.
T. Greiwe/Projektleitung HepHopper c/o JES NRW e.V.